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Was ist Autismus?
In der Diagnostik (ICD, DSM) wird Autismus über autistisches Verhalten definiert. Tatsächlich hat aber Autismus mit Denken und Wahrnehmen zu tun, es ist ein bestimmter Stil des Denkens und Wahrnehmens, was auf eine "andere" Wahrnehmungsverarbeitung zurück zu führen ist. Ein Großteil der Autismusforschung und der Therapieangebote setzen an Autismus als Verhaltensauffälligkeit an. Wir denken, dass diese Sichtweise autistische Menschen verkennt und Gefahr läuft, sie zu diskriminieren. Um Autismus als das kennen zu lernen und zu verstehen, was es ist, als eine spezielle Form der Wahrnehmungsverarbeitung, ist es notwendig, sich auf autistische Menschen einzulassen, sie zu erleben und ihre Sichtweise kennen zu lernen. Es ist auch erforderlich, die eigenen Vorstellungen und die eigenen Perspektiven kritisch zu hinterfragen. Aus dieser Perspektive erscheint Autismus als etwas deutlich anderes als in den Vorstellungen, die von den gängigen Außenperspektiven erzeugt werden.
Ein spannender Ansatz, den die Autismusforschung in den letzten Jahren aufgebracht hat, ist die "globale Netzwerkkonnektivität". Damit sind Nervenverbindungen im Gehirn gemeint, die weit entfernte Areale direkt miteinander verbinden. Nach diesem Ansatz ist das Gehirn typisch nicht-autistischer (neurotypischer) Menschen global gut vernetzt, während das autistischer Menschen mehr lokal vernetzt ist. Während das neurotypische Gehirn als eine in sich stark vernetzte Einheit funktioniert, besteht das autistischer Menschen aus mehreren miteiander eher lose verbundenen Einheiten. In Wirklichkeit kommen - innerhalb eines bestimmten Spektrums - alle Vernetzungsgrade vor, d.h. alle Menschen befinden sich irgendwo in einem Spektrum zwischen neutypischem und autistischem Denken. Dieser Ansatz erklärt sehr gut die geringere "zentrale Kohärenz" autistischer Menschen, d.h. eine geringere Neigung, Dinge als Ganzes wahrzunehmen (im Unterschied zu einer Fülle von Details). Er erklärt auch Temple Grandins Befunde zum Bilderdenken und, wenn die meist spezifische Sozialisation autistischer Menschen mit in Betracht gezogen wird, auch die Befunde zur "Theory of Mind", der Fähigkeit, anderer Menschen Gedanken und Absichten zu erraten.
Was verstehen wir unter autistischen Fähigkeiten?
Eine andere Wahrnehmungsverarbeitung führt zu einer anderen Art und Weise, die Welt wahrzunehmen und über sie zu denken. Das führt zu einem anderen Erleben, einer anderen Wirklichkeit, einer anderen Weise der Sozialisation und Persönlichkeitsbildung und zu einem anderen Leben. Damit sind untrennbar verbunden andere Arten der Kreativität und andere Problemlösungsstrategien. Darüber hat bereits Hans Asperger in den 1940-er Jahren geschrieben. Autistisches Denken, autistische Wirklichkeiten sind etwas, was zum Menschsein gehört, was schon immer zum Menschsein gehört hat. Es sind Potenziale, die den nicht-autistischen Teil des Menschseins ergänzen - Potenziale, die in der heutigen Zeit kaum mehr gewertschätzt werden. Diese Potenziale äußern sich in Fähigkeiten; autistische Fähigkeiten sind daher Äußerungen autistischer Menschen, in denen ihre spezifischen - und typisch autistischen - Potenziale zum Vorschein kommen.
Werden autistische Menschen diskriminiert?
Autistische Menschen werden in aller Regel als behindert wahrgenommen; viele empfinden sich aber eher als diskriminiert. Seit einigen Jahrzehnten entwicklen sich mitteleuropäische - oder insgesamt westlich orientierte - Gesellschaften in eine Richtung, in der sprachlich vermittelter Schein, Werbung, Massenmedien, soziale Medien, virtuelle Communities etc., eine immer größere Bedeutung erlangen. Sie fußen auf einem Denken, der autistischen Menschen eher fremd ist. Deswegen werden autistische Menschen immer mehr aus gesellschaftlichen Zusammenhängen gedrängt, nicht nur im Berufsleben. Als ein weiterer Effekt werden sie auch immer sichtbarer, weil sie geringere Chancen haben, das zu leben, was allen anderen Menschen auch zusteht. Während überall von Inklusion geredet wird, erfahren autistische Menschen genau das Gegenteil davon: Exklusion. Da dies sozusagen im Strom einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung stattfindet, ist die Diskriminierung autistischer Menschen nur schwer greifbar.